- höfisches Epos
- höfisches Epos,höfischer Roman, erzählende Großform der mittelhochdeutschen höfischen Dichtung und als solche von deren Idealen und Wesensmerkmalen geprägt.Die meist in vierhebigen Reimpaaren verfassten Werke zeigen einerseits eine idealisierte Welt ritterlichen Denkens und Handelns, sind aber andererseits oft im Detail als »Bildungsromane« Abbild damaligen Wissens sowie der Alltagswirklichkeit und daher Quelle für Fachsprachen- und Realienforschung geworden. Zentrale Figur des höfischen Epos ist der höfische Ritter, der sich im Dienste von »Witwen und Waisen« oder einer edlen Frau, um der »ēre« (des gesellschaftlichen Ansehens) willen, v. a. aber auch immer in Hinblick auf die Erlangung göttlicher Gnade, auf die Suche nach »aventiure«, der Konfrontation mit der Welt, begibt. Seinen Ausgangspunkt findet das höfische Epos in der Mitte des 12. Jahrhunderts in der Dichtung des Chrétien de Troyes um König Artus (Erec, Yvain, Perceval, Lancelot). Diese keltischen Erzählstoffe kamen, wie die meisten Elemente der höfischen Kultur, zusammen mit antiken und orientalischen Motiven im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts nach Deutschland. Als Begründer des deutschen höfischen Epos gilt Heinrich von Veldeke (»Eneit«, 1170/90). Den Höhepunkt erreicht der höfische Roman mit den Werken Hartmanns von Aue (»Erec«, um 1185; »Iwein«, um 1200), Wolframs von Eschenbach (»Parzival«, um 1210; »Willehalm«, um 1215) und Gottfrieds von Straßburg (»Tristan«, um 1210/15). Das höfische Epos nach dieser Blütezeit ist der späthöfischen Dichtung zuzurechnen, die ihre eigentliche Aufgabe in der Bewahrung wie auch der Ausschmückung der Werke der großen Dichter sah. Der nachklassische Aventiurenroman steigerte zum Teil die Vorlage ins Fantastische und entwickelte gewaltige Umfänge (bis zu 50 000 Versen). Für die oberrheinische Kernlandschaft sind hier K. Fleck, Rudolf von Ems und Ulrich von Türheim zu nennen, der späthöfischen Epik Österreichs werden die Werke des Strickers und Heinrichs von dem Türlin zugerechnet.Die entscheidende Weiterentwicklung des höfischen Epos erfolgte erst nach dem eigentlichen Ende der höfischen Klassik mit den prägnanten epischen Kurzformen und novellistischen Verserzählungen wie denen des Strickers und v. a. Konrads von Würzburg. Des Letzteren literarischen Schaffen im Auftrage geistlicher und bürgerlicher Mäzene in Straßburg und Basel markiert die Wandlung im Bereich der Träger und Rezipienten der Literatur. Der in Frankreich seit Mitte des 13. Jahrhunderts vordringende Prosaroman setzte sich - mit Ausnahme des Prosa-Lanzelot (um 1250) - in Deutschland erst ab dem 15. Jahrhundert durch.E. Köhler: Ideal u. Wirklichkeit in der höf. Epik (21970);K. O. Brogsitter: Artusepik (21971);K. Ruh: Höf. Epik des MA., 2 Bde. (1-21977-80);J. Bumke: Höf. Kultur, 2 Bde. (1986);G. Grünkorn: Die Fiktionalität des höf. Romans um 1200 (1994).
Universal-Lexikon. 2012.